It is like the thirsty traveller who at first sincerely sought the water of knowledge, but who later, having found it plain perhaps, proceeded to temper his cup with the salt of doubt so that his thirst now becomes insatiable though he drinks incessantly, and that in thus drinking the water that cannot slake his thirst, he has forgotten the original and true purpose for which the water was sought.
Syed M. Naquib al-Attas
Eines der berühmtesten Zitate des Sokrates lautet: „Ich weiß, dass ich nichts weiß.“Auch wenn es sich hier um einen Paradox handelt, ist es eine tiefgründige Aussage, die eine Dimension der Reflexion öffnet. Doch was bedeutet es zu wissen? Diese Frage beschäftigte intensiv Denker und Philosophen der Geschichte. Die Wissensfrage und -Definition wurde über Jahrhunderte sehr stark behandelt, erläutert und diskutiert. In der Epistemologie entstanden verschiedene Antworten auf Fragen wie „Was ist Wissen? Wie kann ein Mensch wissen? Was ist der Unterschied zwischen Wissen, Erkenntnis und Weisheit? Was ist das Ziel von Wissen?“. Die Erkenntnistheorie umfasst viele Bereiche wie Natur, Recht oder Gerechtigkeit. Dieser Beitrag wird sich auf den Wissensbereich fokussieren.
Epistemologie in der griechischen Antike
Spätestens seit der griechischen Antike ist die Epistemologie ein Teil der Debatte in der Philosophie, auch wenn der Begriff „Epistemologie“ (altgriechisch: epistemefür Wissen) erst im 18. Jahrhundert eingeführt wurde. Platon war der Meinung, dass Wissen unveränderlich sein müsse. Er vertrat die Theorie, dass Wissen durch die transzendenten Sinne und durch Vernunft wahrgenommen wird und nicht durch Erfahrung.
Aristoteles vertrat die Theorie, dass Wissen ident mit dem Objekt sein muss. Dieser Ansatz kann folgendermaßen verstanden werden: Wenn jemand etwas lernt, dann erwirbt die Person es in einem gewissen Sinne. Das Erworbene muss entweder identisch sein oder sich vom Objekt unterscheiden. Gibt es einen Unterschied, so besteht eine gewisse Diskrepanz zwischen dem Erworbenem und dem Objekt. Für Aristoteles kann diese Diskrepanz kein Wissen darstellen, denn wie erwähnt muss das Erworbene mit dem Objekt ident sein. Aristoteles stellt die Theorie auf, dass der Intellekt aus zwei Bereichen besteht. Ein Bereich stellt den aktiven Intellekt dar: Dieser umfasst die Form. Der andere Bereich stellt den passiven Intellekt, der die Materie umfasst, dar.
Epistemologie in der „modernen“ Philosophie
Rene Descartes sieht Intuition, welche er als eine unreflektierte direkte Auffassung definiert und Deduktion als zwei Quellen des Wissens. Für ihn bedeutet Wissen, eine klare und deutliche Idee von etwas zu haben und die ultimative Quelle für Wissen ist für Descartes die Vernunft.
Der wohl wichtigste Philosoph der Aufklärung, Immanuel Kant, hat den Rationalismus und Empirismus in seiner transzendentalen Erkenntnistheorie, die er in seinem Werk „Kritik der reinen Vernunft“ erläutert, verbunden. Kant meint, dass sowohl Vernunft als auch Erfahrung wichtig wären, um zur Erkenntnis zu gelangen. Kant veranschaulicht seine Theorie in einem Beispiel: „Begriffe ohne Anschauungen sind leer, Anschauungen ohne Begriffe sind blind.“
A priori und a posteriori
In der Epistemologie gibt es zwei Grundarten des Wissens:
Wissen a priori ist Wissen, dass im Geist des Menschen, unabhängig von der Wahrnehmung und empirischen Erfahrung der externen Welt wahrnehmbar ist. Dazu zählen z.B. mathematisches, semantisches oder auch logisches Wissen.
Wissen a posteriori ist Wissen, das auf der Wahrnehmung und empirischen Erfahrung der externen Welt beruht. Es wird auch als empirisches Wissen bezeichnet. Dazu zählen z.B. soziologisches, naturwissenschaftliches oder psychologisches Wissen.
Mittels dieser Ausdrücke wird die Art des Wissensinhalts klassifiziert, wie von ihnen Kenntnis erlangt wird.
Vom Fundamentalen zur Skeptik
Es gibt drei traditionelle epistemologische Positionen:
- Der epistemologische Fundamentalismus
- Der epistemologische Kohärentismus
- Der epistemologische Skeptizismus
Der erkenntnistheoretische Fundamentalismus behauptet, dass einige Begründungen auf Wissen und Gründen beruhen, die basal sind und deswegen keiner weiteren internen Begründung bedürfen. In der klassischen fundamentalistischen Epistemologie existieren drei eigene Varianten. Die antike Epistemologie ist der Meinung, dass unser Wissen sowohl a priori als auch a posteriori ist. Der neuzeitliche Rationalismus geht davon aus, dass all unser Wissen letztlich auf Wissen a priori beruht und der neuzeitliche Empirismus meint, dass all unser Wissen letztlich auf Wissen a posteriori beruht.
Der epistemologische Kohärentismus behauptet, dass sich gute Gründe gegenseitig stützen und untereinander konsistent sein müssen. Deswegen gebe es keine basalen Gründe, die als Fundament des Wissens gelten können.
Der Skeptizismus geht ins Radikale und verneint eine Existenz des Wissens. Denn kein Wissensanspruch könnte hinreichend begründet werden. „Skeptiker“ verneinen einen Wahrheitsanspruch und Wahrheit per se.
Wachsender Skeptizismus
Über die Jahre gewann der Skeptizismus an Bedeutung und hat Denker und Wissenschaft beeinflusst. Ein kritisches Gedankengut (oder auch Skepsis) war immer ein Teil der Wissenschaft, der Forschung und der intellektuellen Elite. Das Problem ist, dass der Skeptizismus dieses kritische Denken in eine allgemeine Skepsis verwandelt hat. Nicht-Skeptiker haben die allgemeine Skepsis aus dem epistemologischen Skeptizismus kopiert, in der Hoffnung und auch arroganten Zuversicht, dass die allgemeine Skepsis sie zur Wahrheit führen würde. Jedoch lassen sie einen Beleg für diese Annahme vermissen. Wissen und Wahrheit verloren dadurch an Bedeutung und es stellt sich die Frage, warum sollte ein Mensch wissen, wenn Wahrheit nicht existent ist?
Ghazalis Weg zur Erkenntnis
In seinem Magnum Opus „Ihya Ulumu-Din“ (Die Wiederbelebung der Religionswissenschaften) erzählt Ghazali über eine prägende Begebenheit aus seinem Leben, die ein Umdenken in seinem Zugang zu Wissen hervorbrachte. Zu Zeiten von Ghazali war es üblich, seine Wertgegenstände in einer Art Truhe aufzubewahren und bei Reisen mitzunehmen. In Ghazalis Truhe befanden sich Bücher, Notizen und Forschungsberichte, die er auf seinen Reisen gesammelt hatte. Eines Nachts wurde die Karawane, in der Ghazali mitreiste, von Räubern überfallen. Während sie wertvolle Gegenstände beschlagnahmten, flehte Ghazali einen Räuber an, seine Truhe bei ihm zu lassen und nicht mitzunehmen, denn darin sei sein ganzes Wissen. Darauf erwiderte der Räuber: „Was ist das für ein Wissen, wenn eine Person wie ich es dir nehmen kann?“ Dieser Satz führte bei Ghazali zu einer intensiven inneren Reflexion über seinen Zugang zu Wissen und wie er ihm Buch beschreibt, empfand er den Diebstahl und die Frage des Räubers als Segen Gottes.
Wer sich mit dem Leben Ghazalis auseinander setzt, ist sich der oft vorhandenen Paradigmenwechsel in Ghazalis Leben und Denkart bewusst. Die kurze Konversation mit dem Räuber war vielleicht auch einer der Gründe für sein berühmtes Zitat „Nur das ist wahrlich dein Besitz, das du bei einem Schiffbruch nicht verlieren kannst.“
Ghazali und Postmoderne
Betrachten wir Ghazalis Beispiel durch die Brille der Postmoderne, so ergeben sich erschreckende und beunruhigende Beispiele. Google, Wikipedia und Youtube sind heute der primäre Zugang zu Informationen. Das Vertrauen auf virtuelle Quellen ist nicht annähernd so erschreckend wie die Anschauung, dass es sich hierbei um Wissen handele. Das technologische Zeitalter hat dem Menschen „Fortschritt“ vermittelt und deswegen denkt der Mensch der Postmoderne, dass der fast ständige Zugang zum Internet ihm Lernen und Reflektieren ersparen. Der Mensch erkennt nicht, dass die Überflutung an Informationen ihn nach Weisheit verdursten lässt. Die Nutzung dieser „Quellen“ ist dank Smartphones, Tabs und Computern sehr intensiv. Die Vorstellung eines totalen Crashs ist schon beinahe apokalyptisch, denn wie verloren wäre die heutige Gesellschaft, könnte sie auf das Internet nicht zugreifen. Frei nach dem Räuber: „Was ist das für ein Wissen, wenn ein System-Shutdown es dir nehmen kann?“
Epistemologische Krise
Im Internet kursieren einige Memes mit dem Text „Ich hoffe, dass Google nie eingestellt wird, denn es gibt ungefähr sieben Dinge, die ich weiß.“ Auch wenn der Text einigermaßen witzig ist, ist er ein großer Hilfeschrei der Gesellschaft. Wir erzielen große Fortschritte in der Technik, doch verlieren an geistiger Entwicklung. Diese extreme Entwicklung bleibt auch im akademischen Bereich nicht unbemerkt. Wie viele der heutigen Absolventen an Universitäten sind in der Lage, ihre wissenschaftliche Abschlussarbeit wenige Jahre nach ihrer Abgabe wiederzugeben? Das Streben nach Wissen ist heute von einer Lebensaufgabe zu einem Mittel zum Zweck verkommen. Diese Rückentwicklung führt zu einer enormen Krise in unserer Gesellschaft, die leider unbemerkt bleibt. Halbfakten und subjektive Wahrnehmungen sind Teil unserer alltäglichen Konversationen untereinander. Wenn Google als höchste Instanz für Wissen gilt, stellt sich die traurige Frage: „Welches geistige Erbe können wir den kommenden Generationen hinterlassen?“
Wissen und Handlung
Frühere Zivilisationen stellten zwischen Wissen und Handlung eine automatische Verbindung her. Das Ziel des Wissens ist die Umsetzung im alltäglichen Leben. Deswegen wurde auch das Streben nach Wissen nie als Mittel zum Zweck gesehen, sondern als Lebensaufgabe, die zur Besserung des menschlichen Charakters führen soll. Wissen ist nichts virtuelles, sondern etwas Wahres und Metaphysisches. Wissen soll auch zur Wahrheit führen. Wahrheit ist per se nicht epistemisch, jedoch ist der Weg zu Wahrheit ein epistemischer Weg. Wenn der Skeptizismus, der eine allgemeine Wahrheit komplett negiert, in unserer Zeit weiterhin akzeptiert wird, stellt sich die Frage, wie der verlorene Mensch sich wieder finden kann, um Wahrheit zu akzeptieren und zu der Wahrheit zu gelangen.
Bildnachweis: „The School of Athens“, Link: http://www.museivaticani.va/content/museivaticani/en/collezioni/musei/stanze-di-raffaello/stanza-della-segnatura/scuola-di-atene.html#&gid=1&pid=1