Freiheit – Zwischen materialistischen Ketten und geistigem Entkommen

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Some say the world will end in fire,
Some say in ice.
From what I’ve tasted of desire
I hold with those who favor fire.
But if I had to perish twice,
I think I know enough of hate
To say thay for destruction ice
Is also great
And would suffice.

– Poem by Robert Frost

Der Begriff „Freiheit“ ist seit Jahrzenten immer wieder in etlichen Diskussionen vertreten. Meistens in Bezug auf „Einschränkung der Freiheit“. Die Debatten sind oft Reaktionen auf Ausweitungen des Kontrollmechanismus des Staates oder auf autoritäre Gesetzesentwürfe, so wie unlängst die Diskussion über die Vorgänge der Regierungen weltweit in Bezug auf COVID-19.

Dieser Beitrag wird keine Diskussion über Gesetze oder Staatsformen, denn ich denke, davon haben wir bereits genug. Der Fokus der Freiheitsdebatte soll auf etwas Anderes gelegt und der Freiheitsbegriff in eine andere Richtung gedeutet und aufgeladen werden. Ich würde dem Begriff gerne die Bedeutung wiedergeben, die in einer Welt der Materialismus vergessen wurde.

Marketing gegen die Freiheit

Der Mensch ist ein Wesen, das den Drang nach Freiheit in sich trägt. Das Problem an der Sache ist das Verständnis von Freiheit. Die Welt und der herrschende Zeitgeist haben es geschafft, den Menschen einzureden, dass Freiheit bedeutet die Möglichkeit zu besitzen zwischen acht Arten von Shampoo, vier Arten von Streamingdiensten und neun Modellen von Smartphones zu wählen. Um dieses Verständnis von Freiheit den Menschen einzutrichtern, hat es eine Menge an Marketing und Kraft gebraucht – aber es wurde geschafft, auch wenn die Marketingkampagne bis heute andauert. Denn jedes Mal, wenn der Mensch den Drang bekommt sich aus dem Konsumwahn zu entreißen, lockt ihn ein phänomenales Angebot und der Drang nach Freiheit wird wieder betäubt und der Mensch in Ketten gelegt. Der Materialismus hat den Mensch auf Konsument und Verbraucher reduziert. Er hat ihm also das Menschliche genommen und ihn dehumanisiert. Der Mensch ist keine Persönlichkeit und kein denkendes kreatives Wesen mehr. Er ist nur noch da, um zu verbrauchen. Das gesamte Marketing des Materialismus trägt heute das „Glücklichsein“-Siegel. Damit wird alles verkauft. Man redet dem Menschen ein, dass er umso glücklicher sein wird, umso mehr er verbraucht und nichts kaufen, das geht einfach nicht. Mit so einem Individuum muss ja etwas nicht stimmen, denn wer entscheidet sich denn dazu freiwillig, nicht glücklich sein zu wollen? Und Freiheit – dies ist nur ein Begriff, der gerne benutzt wird, wenn der Markt ihn braucht.

Bemerkbar wurde dies während den Ausgangsbeschränkungen zu COVID-19. Plötzlich konnte der Verbraucher nicht mehr hiaus um zu verbrauchen, also begann er über seinen Zustand zu reflektieren. Und genau in diesem Moment schlug das Marketing des Materialismus wieder zu. Online-Angebote und Aktionen hier und da, nur damit das Individuum nicht vergisst, dass er ein Konsument ist. Sollten die Tabletten des Online-Shoppens nicht mehr helfen, wurde mit der Entertainment-Spritze alias Serien und Spiele nachgeholfen und er wurde wieder betäubt.

Poesie und Romane

Das Phänomen, dass der Mensch nach Genuss strebt, ist nicht neu. Drehen sich denn nicht genau darum etliche Geschichten in der Mystik? Der Vergleich zwischen endlosem Verbrauch, also dem Glücklichsein und der Freiheit? Die großen Dichter der Geschichte haben dies bereits früh erkannt und immer sehr gut beschrieben. Der Vergleich zwischen einem reichen König, der danach drängt, immer mehr zu konsumieren und dem Bettler oder Sklaven, der keinen hohen sozialen Status hat, aber doch letztendlich frei ist. Der arabische Terminus, der für Freiheit verwendet wird, lautet „Hurriyah“, was sich vom Wort „Hurr“ ableitet, was in einer sehr negativen Übersetzung „nicht ein Sklave“ bedeutet. Ganz nach dem kurzen Gedicht „A slave is a free man when free of desire, a free man is a slave in passion’s fire.“

Das Werk „Eine schöne neue Welt“ von Aldous Huxley dreht sich genau um die Frage, ob glücklich sein oder Freiheit wichtiger sei. In Roman geht es um eine futuristische Dystopie, in der die Genetik so weit entwickelt ist, dass Menschen in Laboren gezüchtet werden und alle negativen Eigenschaften entfernt werden. Die Menschen werden so zu Alphas, Betas, Gammas usw. gezüchtet und sie erfüllen ihren Zweck in der „Utopie“. Sie funktionieren, aber sie leben nicht. Sie genießen, aber sie denken nicht. Sie sind glücklich, aber nicht frei. Kunst, Dichtung, Philosophie und Religion wurden abgeschafft. All das, was in irgendeiner Weise die Freiheit des Menschen ausgedrückt und das Wesen Mensch ausgezeichnet hat, ist nicht mehr vorhanden – denn denkende und freie Menschen sind eine Gefahr für eine utopische Gesellschaft, denn sie könnten ja rebellieren und das gesamte Konstrukt könnte zusammenbrechen. 

Freiheit statt Materialismus

Falls sich jemand denkt, dass Materialismus nur ein kapitalistisches Problem sei, der sollte sich lieber nicht mit Marx befassen. Für Karl Marx sei das Ziel der Geschichte die Abschaffung aller Klassen – also ein Sieg des Materialismus. Für den berühmten Philosophen Hegel hingegen, ist das Ziel der Geschichte die Freiheit des Menschen. 

Doch wie wurde Freiheit früher verstanden? Wie haben Kunst, Poesie oder Religion den Begriff definiert? So verblüffend es auch klingen mag, doch Freiheit wurde stets in Bezug auf etwas spirituelles verstanden. Das Ziel frei von dieser Welt zu sein, frei von den Begierden und Gelüsten, frei von schlechten Angewohnheiten, Taten und Eigenschaften und frei von seinem Ego. Das Selbstisolieren wurde eher als das Selbst isolieren verstanden. Und so einfach dies klingen mag, so schwierig ist dieser Zustand zu erreichen. Das Ziel von diesem Freiheitsverständnis war nie es den Menschen glücklich zu machen, sondern ihn für das Schwierige und harte Tage und Phasen vorzubereiten. Der Materialismus zwingt den Menschen mit dem Körper zu leben, Religion erzieht ihn mit dem Geist zu leben. Deswegen zählt das Fasten zum größten Akt der Freiheit. Das bewusste verzichten auf Materielles, während der Fokus auf der geistigen Ebene liegt. 

Der antike Philosoph Epikur begründet seine Philosophie nach dem Motto „Nach Genuss streben, aber vor Schmerz fliehen“. Eine Lebensweise, die die heutige Welt gut widerspiegelt, jedoch schrecklich ist. Auch wenn es nicht bemerkbar ist, so versklavt sich der Mensch dadurch und legt sich in Ketten. Frei sind nur diejenigen, die sich von dieser Welt mit ihrem Geist und den materialistischen Ketten befreien und Ihre Gelüste unter Kontrolle haben.

Bildnachweis: https://www.agoodson.com/roberto-cigna-prisoner-of-consumerism/

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About Author

Studium an der IRPA/KPH-Wien, "Bachelor of Education" in Religionspädagogik

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