Ein Interview mit Sohil Khan, einem Aktivisten der Bewegung „Protest Camp Vienna“
Die Fragen stellte Hasan Alpago
Wie war dein Leben, bevor du dein Herkunftsland verlassen hast?
Die Konflikte in Pakistan zwischen der Regierung und der Taliban haben unser System funktionsuntüchtig gemacht. Unsere Schule und alle anderen Bildungseinrichtungen wurden zerstört. Wir mussten entweder für die Taliban oder für die Regierung kämpfen. Aber ich wollte für niemanden kämpfen. Daher habe ich beschlossen, alles zu riskieren, um meine Heimat zu verlassen.
Welche Erinnerungen hast du zu deiner ersten Begegnungen mit Österreich?
Als ich in Österreich angekommen bin, wurde ich von der Polizei wegen illegalem Grenzübertritt verhaftet, musste also einige Zeit im Gefängnis verbringen und wurde dann ins Flüchtlingslager Traiskirchen geschickt. Ich habe dort keine guten Erfahrungen gemacht. Das war kein guter Start in Österreich. Ich hoffe, dass dieses Unglück nicht mehr lange dauert….
Warum hast du dich dazu entschlossen, gegen die österreichische Asylpolitik Widerstand zu leisten?
Die Bedingungen im Flüchtlingslager Traiskirchen waren nicht mehr zu ertragen.
Gibt es eine Botschaft, die du der österreichischen Gesellschaft mitteilen willst?
Ich bin noch jung, ich möchte hier studieren oder eine Ausbildung machen. Ich frage daher die österreichische Gesellschaft, weshalb dieser Wunsch nicht hier in Österreich erfüllt werden kann, denn wo sonst sollte es möglich sein?
Wie verlief dein Leben, bevor du dein Herkunftsland verlassen hast?
Das größte Problem in meiner Heimat waren vor allem die miserablen wirtschaftlichen Umstände. Wenn sich in einem Land die wirtschaftliche Lage dramatisch verschlechtert, dann werden sich auch politische und kulturelle Probleme zuspitzen. So wurde das Leben für mich und für meine Familie unerträglich. Da wir in Pakistan einer Minderheit, den Paschtunen, angehören, werden wir oft unterdrückt, als Sündenbock behandelt und verfolgt. Wir finden nirgendwo ein friedliches Leben, weder in Pakistan noch in der EU.
Wer sind die Hauptakteure der politischen und wirtschaftlichen Krisen in Pakistan?
Die Taliban und diverse andere lokale politische Rivalen, die für den Erhalt ihrer Macht die Bevölkerung und besonders Minderheiten unterdrücken. Daher wird man in Pakistan gezwungen, sich auf die Seite einer Gruppe zu stellen. Wenn man das nicht tut, wird man unterdrückt, verfolgt, sogar ermordet. Außerdem haben die westlichen Mächte überall in Pakistan eine starke Präsenz. Man lebt ständig in Angst und Panik vor Drohnen, die pausenlos die Bewegungen in Pakistan beobachten. Sie bombardieren einfach Dörfer, Nomaden mit ihren Herden oder Reisende – angeblich irrtümlich. Wir haben also weder von der einheimischen Bevölkerung, die uns als Minderheit oft unterdrückt, noch vor der immerwährenden Gefahr eines Drohnenangriffs Ruhe.
Welche Gründe haben dich zur Flucht bewegt?
All diese Probleme konnte ich nicht mehr aushalten und ich beschloss, das Land zu verlassen, um mindestens mich selbst zu retten, um eine bessere Zukunft aufzubauen, um dann vielleicht sogar meiner Familie und Bekannten in Pakistan helfen zu können.
Wie verlief deine Flucht?
Bis ich in Österreich gelandet bin, habe ich viele Abenteuer erlebt. Über die Türkei bin ich mit einer Gruppe von Glücklichen in Griechenland angekommen. Wegen der schwachen wirtschaftlichen Lage in dem Land musste ich meine Chance anderswo suchen.
Welche Erinnerungen verbindest du mit deinen ersten Begegnungen mit Österreich?
Als ich erstmals österreichischen Boden betrat, wusste ich überhaupt nichts über die österreichische Asylpolitik und den Umgang mit Flüchtlingen. Ich wollte nur für mich eine sichere Bleibe finden. Ich wurde im Flüchtlingslager Traiskirchen einquartiert. Dort waren die Bedingungen sehr schwer. Wir wurden dort nicht gut behandelt. Statt uns zu helfen, um unsere Probleme etwas zu erleichtern, wurden uns neue Probleme zugefügt. Die Lage war total aussichtslos. Ich hatte und ich habe keine Vorurteile gegenüber niemandem. Ich verstehe nicht, warum einige Leute so viele
Vorurteile gegen uns haben. Ich frage mich immer, was habe ich bloß getan? Besonders Politiker reden immer schlecht über uns. Ich finde es unmoralisch und unfair. Außerdem wurden niemals Menschen wie Pflanzen in irgendein Land verpflanzt. Wenn man in der Geschichte zurückblickt, sieht man, dass nicht nur die Menschen, sondern auch Erdteile wie Berge, Flüsse etc. sich ständig ändern, und von Zeit zu Zeit erleben wir eine Art von Auswanderung.
Warum hast du dich dazu entschlossen, gegen die österreichische Asylpolitik Widerstand zu leisten?
Weil mir kein anderer Weg gelassen wurde. Ich hoffe, dadurch hört vielleicht jemand meinen Hilfeschrei. Vielleicht, wer weiß?
Wie verliefen die Reaktionen der jeweils Verantwortlichen in den verschiedenen Stadien des Widerstands im Camp, in der Votivkirche, in der Akademie, bei den Demonstrationen, usw.? Bist du beispielsweise enttäuscht über das Vorgehen der Kirche oder der Caritas, wie siehst du die Haltung der Akademie…?
Ich persönlich wurde total enttäuscht. Viele unsere Kollegen wurden bereits abgeschoben. Den Worten sind keine Taten gefolgt. Überhaupt nicht. Weder Kirche noch Politiker haben etwas Greifbares unternommen, um unsere Schreie zu hören. Noch unverständlicher ist, dass die Zivilpolizisten uns beharrlich auf Schritt und Tritt überallhin verfolgen. Meine Kollegen und ich fühlen uns schlechter als in Pakistan. Sie wissen alles über uns. Wegen unserer Asylverfahren sind alle unsere Daten bei der Polizei und beim Gericht. Aber ich weiß nicht, was sie eigentlich wollen. Ich glaube, dass wir wegen unserer Proteste bestraft wurden. Das widerspricht demokratischen Regeln.
Welche Perspektiven siehst du für deine persönliche Zukunft?
Ich persönlich bin traurig über meine abgeschobenen Kollegen. Dennoch habe ich immer noch Hoffnung, mir doch hier in Österreich eine sichere Bleibe zu schaffen. Denn ich bin noch da. Ich habe keine Angst vor irgendetwas. Ich habe allen möglichen Untergang erlebt. Schlimmer kann es nicht kommen, ich habe keine Angst. Ich bin mit allen Wassern gewaschen… Ich bin mit der berühmten Kinderrechtsaktivistin Malala Yousafzai verwandt. Wir kommen aus derselben Gegend. Ich konnte in meiner Heimat wegen der Taliban und anderer Unterdrücker nicht studieren und ich musste flüchten. Aber hier habe ich auch keine Rechte. Ich darf nicht studieren, ich darf mir keine Zukunft aufbauen. Was mir überlassen wurde, ist nur „Warten“. Aber wie? Bis wann? Mit welcher Kraft und Hoffnung… „Warten“ und „Warten“ und „Warten“…
Gibt es eine Botschaft, die du der österreichischen Gesellschaft mitteilen willst?
Im Allgemein bin ich mit der österreichischen Gesellschaft zufrieden. Besonders die jungen Leute, die StudentInnen und AktivistInnen, die uns in der Votivkirche besucht haben und versuchten, uns Beistand zu leisten. Ich bin sehr dankbar. Wenn die Zahl von solchen visionären Menschen ansteigt, dann werde ich mehr Hoffnung haben…