Refugee Protest Camp Vienna: Ein gescheiterter Hilferuf?

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Eine chronologische Analyse von Hasan Alpago

Konflikte, Krisen, Zusammenstöße und Kriege sind Ergebnisse von Transformationsprozessen der Gesellschaft. Dennoch, wenn diese Auseinandersetzungen nicht richtig diagnostiziert werden, werden sie auch nicht richtig behandelt. Daher kommt es bei solchen Transformationsprozessen zu unfairen, gewalttätigen und zerstörerischen Handlungen, z.B. Erpressungen, Verfolgungen, Isolationismus, Zwangsmigration und Genoziden etc. Daher versuchen betroffene Individuen, Gruppen oder Minderheiten Alternativlösungen zu finden, um den oben genannten Bedrohungen entkommen zu können. Demzufolge haben sich im Laufe der Geschichte die Menschen gelegentlich zusammengeschlossen bzw. gemeinsam agiert, um ihre Lage zu verbessern. Diese Form von Bewegungen lässt sich nach bestimmter Art und Weise ordnen. In anderen Worten werden sie je nach Zweck und Ziel unter passenden Namen bzw. Gruppen eingegliedert oder definiert. Diese Eingliederungen sind: Immigration, Proteste, Flucht, Verstecken, Weglaufen, Wegschauen, sich Versklaven lassen, Verstummung etc. Wenn die Menschen mit ihrer Situation unzufrieden sind, versuchen sie durch aktive Bewegungen dieser Sackgasse zu entkommen. Unter einem diktatorischen Regime wissen Menschen ganz genau, was sie erwarten würde, wenn sie ihren Unmut in der Öffentlichkeit zeigen. Also schweigen sie meistens. Nur wenn die ganze Gesellschaft in dieselbe Lage kommt und die Krise sich weiter vertieft hat, dann kommt eine unvermeidliche Bewegung. In dieser Phase werden Massen mobilisiert, die ihre Angst überwunden haben und ihr Schweigen wird gebrochen. Deshalb, weil sie keine andere Wahl haben, sich nicht mehr vor etwas fürchten und nichts mehr zu verlieren haben.

Andererseits haben in demokratischen Systemen die Menschen das Recht, sich durch öffentliche Aktionen wie zum Beispiel Proteste, Hungerstreiks etc. auszudrücken. Diese Art von Aktionen sind selbstverständliche demokratische Rechte. Dennoch spielen auch hier wieder Machtverhältnisse eine Rolle. In Demokratien gelten Rechte nur, wenn man sich hinter sie stellt und sie verteidigt. Wer die Sache in diesem Rahmen betrachtet, kommt zur Schlussfolgerung, dass Protestieren und der Öffentlichkeit seine Unzufriedenheit und Misere bekannt zu machen, überall ein ganz normales demokratisches Recht sein sollte.

Maximale Diskriminierung
In einigen Ländern werden Immigranten möglichst bis an die Grenzen der menschlichen Kräfte diskriminiert. Man kann das „Maximale Diskriminierung“ nennen. Die Gründe für diese maximale Diskriminierung liegen vor allem in den Machtverhältnissen. Da Immigranten und Immigrantinnen weder in ihrem Herkunftsland noch im Zielland der Rücken gestärkt wird, ist ihre Lage unter diesen Machtverhältnissen denkbar ungünstig. Als Flüchtige wurden sie bereits total entmachtet; sie dürfen nicht wählen, nicht politisch aktiv werden, nicht vom sozialen System profitieren. Sie werden systematisch und organsiert in höchstem Ausmaß diskriminiert und noch dazu werden alle ihre Schritte und Aktivitäten total überwacht. Außerdem übt der internationale Ruf bzw. Status eines Landes einen wichtigen Einfluss auf die Stellung seiner Bürger im Ausland aus, z.B. werden Flüchtlinge aus ökonomisch schwachen Ländern stärker diskriminiert als Flüchtlinge aus anderen Ländern. Also wer die Sache noch mal in Rahmen des Begriffs „Machtverhältnisse“ betrachtet, kommt zur Schlussfolgerung, dass Macht für die Verteilung von Ressourcen und die Anwendung von demokratischen Werten eindeutig entscheidend ist. Also im Kapitalismus werden nicht nur wirtschaftliche Ressourcen, sondern auch demokratische Rechte unfair und ungleich zuerkannt.

Was soll nun gemacht werden?
Österreich gilt als egalitäres, demokratisches EU-Mitgliedsland. In der österreichischen Verfassung werden „Menschenrechte“ und die „Würde des Menschen“ großgeschrieben. Daher sollten widersprüchliche Entscheidungen und Handlungen durch gemeinsames Engagement widerrufen werden können. Manchmal kann eine durch Vorurteile und durch eine ungesunde Einstellung beeinträchtigte Gesellschaft auch durch geschriebene Gesetze kaum verändert werden. Wie in der Natur braucht alles Zeit und intensives Engagement. Außerdem werden Demokratie, Achtung vor den Menschenrechten und Mitgefühl nicht vererbt, sondern brauchen stete Pflege und Achtsamkeit. Genau wie beim sprachlichen Entwicklungsprozess eines Kindes. Für jede Generation wird er neu formiert und neu gestaltet. Die Hoffnung darf man nicht aufgeben, egal mit welchem Aufenthaltsstatus und unter welchen Umständen man lebt. Unfaire Behandlungen gegenüber Menschen mit Migrationshintergrund können nur durch aufopfernde Bewegungen wie dem Refugee Camp Vienna und durch eine Bewusstseinserweiterung der Menschen verändert werden. Jede Bewegung fordert auch ihren Preis, manche Menschen müssen manchmal diesen Preis bezahlen. Wenn man nichts tut, passiert auch nichts Gutes. Jedes Elend hat ein Ende, und jeder dunklen Nacht wird ein sonniger, heller Tag folgen.

Ein gescheiterter Hilferuf?
Nun stellt sich die Frage: Was hat das „Refugee Protest Camp Vienna“ zum demokratischen Prozess und zur Verbesserung der Rechte der Flüchtlinge beigetragen? Eines ist klar, diese aktiven Flüchtlinge haben als Individuen verloren, zumindest kurzfristig. Viele von ihnen wurden bereits entweder abgeschoben oder in U-Haft genommen. Dadurch wurden ihre Aktivitäten ernstlich beeinträchtigt.

Dennoch verdanken wir allen diesen Menschen Vieles… In tiefem Respekt vor ihrem Bewusstsein und dem Erkennen neuer Wahrheiten sind wir Zeuge einer tragischen Geschichte geworden und haben wertvolle Erfahrungen gesammelt.

Refugee Protest Camp Vienna
ein Überblick
Am 25. November 2012 beteiligten sich etwa 100 AsylwerberInnen an einem Protestmarsch von Traiskirchen nach Wien. Im Votivpark wurde ein Protestcamp errichtet. Ihre Forderungen beinhalteten die freie Wahl des Aufenthaltsorts für AsylwerberInnen, den freien Zugang zum Arbeitsmarkt, die Anerkennung sozioökonomischer Gründe als Asylgrund und den Zugang zur Grundversorgung. Kurz vor Weihnachten wurde der Protest auf
die Votivkirche ausgeweitet. Am 3. März wurde der Protest in der Votivkirche beendet. Die Flüchtlinge übersiedelten in das nahe Servitenkloster. Am 30. Oktober mussten die Flüchtlinge von dort wieder ausziehen. Viele von ihnen wurden mittlerweile schon abgeschoben. Außerdem wurde einigen Flüchtlingen vorgeworfen, dass sie angeblich Millionen von Euros durch illegale Tätigkeiten verdient hätten. Die beschuldigten Flüchtlinge befinden sich immer noch in U-Haft. Wenn diese Flüchtlinge bei Gericht tatsächlich ein paar Millionen Euro als Kaution hinterlegen könnten, wären sie wohl schon längst freigelassen worden! *

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Wirtschaftswissenschaftler, lebt und arbeitet in Wien

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