Wahr-Nehmung und Wahn-Nehmung im Zeitalter der Virtualität

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Illustration von Daniel Zender
Illustration by Daniel Zender

Warum leben Leute in ihren eigenen Realitätsblasen? War das in der Zeit vor den sozialen Medien auch schon der Fall? Der Hausverstand sagt ja, nur war das den Menschen damals nicht so bewusst, weil erst die sozialen Medien Zugang zu diesen Realitätsblasen und die Möglichkeit zum Feedback geschaffen haben. Oder ist gar die virtuelle Realität ein Gleichnis für unsere Realität?

Wie wir die Welt um uns wahrnehmen, ist sicherlich hart verdrahtet mit unserer Biologie, mit unseren Wahrnehmungsmechanismen: unser Fokus ist notwendigerweise immer beschränkt auf einen bestimmten Ausschnitt der wahrnehmbaren Realität. Und da Wahrnehmen auch eine geistige Arbeit ist, ist die Hinwendung zu einem anderen Bereich auch mit Arbeit, nämlich mit der Überwindung der eigenen Wahrnehmungskomfortzone verbunden. Andererseits legt die Kopenhagener Deutung der Quantenmechanik nahe, dass die Dinge erst mit unserer Beobachtung eine Realität erhalten, zuvor lediglich Wahrscheinlichkeiten sind.

In der Vergangenheit mobilisierten Päpste, Könige und Feldherren die Massen durch mehr oder weniger gute Ansprachen, ab Anfang des 20. Jahrhunderts begannen ganze Institutionen, die modernen Gesellschaften durch mediale Werkzeuge zu bewegen. Propagandaministerien sind heute schwer out, doch was lenkt die Massenwahrnehmung – und damit Massenrealitätsgenerierung – im Zeitalter – vermeintlich? – demokratisch verfügbarer Informationen? Wer deklariert Informationen als wahr, wer als falsch? Oder müssen Behauptungen lediglich so oft hitleresque wiederholt werden, bis sie irgendwann nicht mehr hinterfragbar sind?

Diesen Mechanismen der Narrativbildung möchten wir im Rahmen unseres Schwerpunkts Wahr-nehmung und Wahn-nehmung im Zeitalter der Virtualität unsere Gedanken widmen. Im ersten Beitrag wird der Zugang zu Informationen und die Faktengenerierung beleuchtet, wie diese durch Medien und Politik bestimmt werden und welchen Stellenwert persönlicher Kontakt zur Informationsquelle hat. Der zweite Beitrag geht im speziellen auf den Klimadiskurs und die quasi-religiöse Art und Weise ein, wie dieser geführt wird. Im weiteren werden Narrative in filmischen Darstellungen behandelt und vieles mehr …

Bildnachweis: New Yorker Magazine,
https://www.newyorker.com/magazine/2018/04/02/are-we-already-living-in-virtual-reality

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About Author

Nach seinem Abschluss an der TU-Darmstadt verschlug es Murat Gürol nach Wien, wo er zwischen 2005 und 2008 Islamologie am Islamologischen Institut studierte. Er ist seit 20 Jahren tätig in der Softwarebranche.

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