Wert und Weltanschuung als Ingredienz des Geistes der Zeit

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Autor: Oktay Taftalı

Der Geist ist das s i t t l i c h e L e b e n eines Volks, insofern er die u n m i t t e l b a r e W a h r h e i t ist; das Individuum, das eine Welt ist. Er muß zum Bewußtsein über das, was er unmittelbar ist, fortgehen, das schöne sittliche Leben aufheben, und durch eine Reihe von Gestalten zum Wissen seiner selbst gelangen […] Die l e b e n d i g e s i t t l i c h e Welt ist der Geist in seiner W a h r h e i t; […]1

Im Rahmen dieses Versuchs soll in Erinnerung gerufen werden, dass es zwischen der Anschauung der Körperwelt und der Objektinterpretation eine direkte Relation gibt. Dabei muss jede „Interpretation“ eine bestimmte Auswertung beinhalten. Eine Interpretation, die eine solche Auswertung nicht beinhaltet, kann eine Beschreibung, eine Darstellung oder eine logische Aussage sein, aber keine Interpretation. Da jede Weltanschauung, jedes Lebensverständnis nur als bestimmter Gehalt der Objektinterpretation möglich ist, kann man sagen, dass jede Idee, die über den Geist der Zeit entwickelt wird, sich notwendigerweise mit dem Wertproblem auseinandersetzen muss. Das Wertproblem ist das Thema der Ethik und also auch der Epistemologie. Die wechselnden Werte sind eine Art Ausdruck der wechselnden Objektinterpretation. Sie alle zeigen uns eine (Lebens-) Weltanschauung.

— Werte schaffen Kultur; aus Werten ist das Reich des Menschen mit allen seinen Institutionen aufgebaut auf dem Boden der Natur. Sie sind die Prinzipien, die innere gestaltende Form dessen, was wir als Lebensanschauung bezeichnen und von der wissenschaftlichen Weltbetrachtung unterscheiden. D i e P r o b l e -m e d e r L e b e n s a n s c h a u u n g s i n d W e r t p r o b l e m e.2

Die „Werte“, die in ethischen Debatten vorrangig thematisiert werden, sind gleichzeitig ein Bestandteil der geistigen Welt. In diesem Sinne besteht eine unveränderliche Einheit und Beziehung zwischen dem Geist und den Werten, die von Zeit und Ort abhängig sind. Die Veränderung des Geistes bedeutet gleichzeitig die Veränderung der Weltanschauung. Daher fängt die Weltanschauung nie wieder beim Nullpunkt an, denn:

Neue Lebensanschauungen gehen hervor aus alten Lebensanschauungen und sie beseitigen diese niemals vollständig, sie entwickeln sie nur. Darum ist die Aufgabe, alle Werte umzuwerten, nicht bloß eine vermessene, verstiegene, sondern eine unmögliche Aufgabe; denn sie ist durch und durch unhistorisch.3

Man kann behaupten, dass die Grundlage dieser Entwicklung oder dieser Veränderung in der sich im Sinne der Erkenntnisauffassung verändernden Objektinterpretation liegt. Und es ist dies kein Problem der Natur, sondern der Philosophie oder des Menschen, da die Natur ihren eigenen Werdeprozess hat.

Wert als gnoseologisches Objekt
Beginnt man mit der Frage „Was ist ein Wert?“, kommt man in das Gebiet der Epistemologie und erreicht hier die Möglichkeit, diese Angelegenheit statt als angewandte Ethik auf einem Gebiet der „Theoria“ zu diskutieren. In diesem Bezug ist jeder Unterschied zwischen der zeitgenössischen Weltanschauung und den Weltanschauungen anderer Zeiten und anderer Völker gemäß den unterschiedlichen Lebensvorstellungen und Objektinterpretationen möglich. Verschiedene Weltanschauungen, die aus den Objektinterpretationen entstehen, brechen im Ergebnis die Entstehung der unterschiedlichen Werte auf. Deswegen können wir sagen, dass jeder Gedanke, der über die Werte entwickelt wird, auch ein über die Weltanschauung entwickelter ist. Wenn wir außerdem betonen, dass die Weltanschauung die Objektinterpretation einer jeweiligen eigenen Periode ist, ist die Beziehung zwischen den Werten und der Objektinterpretation leichter zu verstehen. Somit drückt der Geist, der sich aus der Objektinterpretation einer bestimmten Periode ergibt, gleichzeitig die Werte aus, die gemäß dieser Interpretation gebildet werden, und die Werte erfüllen ihn, indem sie den Geist ihrer Periode mitgestalten. Das heißt, es ist von einer Beteiligungsbeziehung zwischen dem Geist der Zeit und ihrer Werte zu sprechen, in welcher eine gegenseitige Beeinflussung stattfindet. Wir erreichen hier einen Punkt, an dem die Unterscheidung zwischen den geistigen und materiellen Werten gleichfalls beleuchtet wird.

Infolge dessen muss auch ein materieller Wert wie Geld im Sinne der Gegenseitigkeit und der Funktionsfähigkeit zum Bereich der geistigen Werte gehören. Die Rede ist hier von einer unveränderlichen Gemeinsamkeit, Beziehung, „Kontrolle“ und Interdependenz zwischen den materiellen und geistigen Werten, die sich je nach Zeit und geographischer Verortung ändern, und dem veränderlichen Geist. Aber ich versuche zu verdeutlichen, dass auf dem Grunde all dieser Veränderung oder Entstehung die Objektinterpretation im Sinne der Erkenntnisauffassung steht. Dies soll so verstanden werden, dass alles nicht die Angelegenheit der Natur ist, sondern des Menschen bzw. der Philosophie, die ein geistiger Wegbereiter ist und die Natur beseelt. Das heißt, dass die geistige Führerschaft, nämlich die Philosophie, die wiederum durch die Bedingungen der Zeit in Bewegung kommt, die Zeit erneuern und ihr neue Inhalte geben soll. In dieser Situation muss die Philosophie eine neue Erkenntnisauffassung hervorbringen und die Welt der Objekte wieder interpretieren, neue Werte entwickeln oder dem schon Vorhandenen neue Inhalte geben.

Die Zeit ruft alle ihre geistigen Kräfte auf, um einen neuen inneren Gehalt des Lebens zu erringen. In diesem Kampfe um einen neuen Lebensinhalt muss sie sich mit den großen Geistesführern der Vergangenheit verbünden. Und ihre Lebensanschauungen zu erneuern, ihre Gesinnung lebendig zu erhalten, ihr Werk fortzuführen ist der nächste und wesentlichste Beruf der Philosophie als Geistesführung, – ist die Gegenwart dieser Philosophie.4

Wenn all diese Dinge erledigt sind, ist sozusagen die „Restaurierungsarbeit“ des Wertes, die betreffende Periode selbst, nämlich die Gegenwart, vorbei. Wenn die „Restaurierung“ abgeschlossen ist, dann heißt das, dass auch die Gegenwart vorüber ist und die Zeit ihre geistigen Kräfte für die nächsten Bedürfnisse bereitstellen kann. Das kommt daher, dass die Zeit in unserer Wahrnehmung mit den Werten, die in Bewegung sind und sich und ihre Plätze ändern, in Beziehung steht: Vergänglichkeit und Wandelbarkeit der Werte.

Der Mensch als Subjekt der Werte

Aus Werten erwächst, auf Werten beruht unser geistiges Leben, wie wir im Unterschiede nicht nur vom physischen, [sic]sondern selbst vom psychischen [sic]sagen.5

Die Eingriffe des Menschen in die materielle Welt und in sein materielles Wesen beschränken sich nicht auf den Bereich der Materie. Alle auf die materielle Welt gerichteten Tätigkeiten haben Rückwirkungen auf unsere Seele, unseren Verstand und unser Gedächtnis. Beispielsweise können wir einen uns bekannt werdenden Konflikt in einem entfernten Gebiet der Welt nicht als von uns losgelöstes Geschehen betrachten. Während dieses Konflikts entdecken wir Ereignisse, Verhalten oder Vorgehensweisen, die auch Auswirkungen auf uns haben, uns belästigen und in uns Wut und Empörung auslösen. Dennoch nehmen wir solche Ereignisse gewöhnlich indirekt wahr, wir sehen, hören und empfinden sie. Warum fühlen wir uns von solchem Geschehen gestört? Warum empfinden wir Wut und Frustration, obwohl wir von den Abläufen nicht direkt und materiell betroffen sind? Es zeigt sich, dass manches Geschehen, das weit entfernt von uns stattfindet und uns nicht direkt betrifft, dennoch von Interesse für uns ist. Warum aber ist das der Fall? Diese Frage lässt sich einfach beantworten: weil jedes empirische Geschehen eine geistige Rückwirkung hat. Wenn wir einen Freund auf der Straße ignorieren, wenn wir einen alten Weisen nicht respektieren oder wenn wir einem Gast an unserer Tür ein Glas Wasser schenken, werden wir geistige Rückwirkungen dieser Aktionen bemerken. Genau diese geistige Rückwirkung können wir als „Wert“ bezeichnen.

Werte ermöglichen es uns, die geistigen und ethischen Rückwirkungen des menschlichen Verhaltens zu verstehen, indem wir sie „messen“ und ihnen Bedeutungen geben. Ein Wert kann zunächst auf verschiedene Weise betrachtet werden, einerseits als Beurteilung eines Geschehens oder einer Absicht, andererseits als Indikator eines Preises für eine Ware oder einfach als ideeller Wert eines bestimmten Gutes, z.B. eines Kunstwerks. In diesem Sinne ist „Wert“ kein einfaches, bloßes Wort, es ist ein Begriff, der jeder Beziehung unter Menschen sowie zwischen Mensch und Natur eine Bedeutung zuschreibt. Daher kann man einen Großteil des Lebens nur mit Hilfe dieser „Werte“ begreifen.

Am Rande lässt sich anmerken, dass man sowohl von den geistigen Werten, die Rückwirkungen unserer materiellen Tätigkeiten sind, als auch von einer Welt der materiellen Werte sprechen kann. Die „materiellen Werte“ werden in Kategorien wie Verwertbarkeit, Markt, Tauschwert oder Ähnliches eingeteilt. Die Luft hat einen unverzichtbaren Wert, sie ist jedoch für die Marktwirtschaft kaum wertvoll. Die weltweite Finanzkrise, die im Herbst 2008 ihren Anfang nahm, verdeutlicht einmal mehr, dass nicht jede Ware den ihr zugeschriebenen Wert hat. Elemente wie Spekulation, Inflation oder Deflation sind nur einige der Kennzeichen, die die oftmals undurchsichtige Wert-Zuschreibung offen legen. Aus diesen und ähnlichen Gründen muss der Begriff „materieller Wert“ mit Vorbehalt betrachtet werden. Im Endeffekt verhält es sich so: „Alle Werte sind geistige Werte. Die materielle Wohlfahrt ist nicht ein Wert, sie hat nicht Wert, sofern sie materiell ist, sondern sofern sie Wohlfahrt ist und nur aus einem Missverständnis heraus redet man von ökonomischem Materialismus.“6

Wertkonsum des Staates
Zusätzlich zum objektiven und eigentätigen „Werden“ der Natur sind die vom Menschen geschaffenen Werte der wichtigste Beitrag zur lebendigen Welt. Die Natur kann selber keine Werte produzieren. Ich glaube, dass der Staat auch keine Werte produzieren kann. Nur die Menschen, darunter besonders Künstler und Philosophen und die Gesellschaften, die von diesen Menschen gebildet werden und die von Zeit und Ort abhängig sind, produzieren und besitzen Werte. „Die Philosophen der Lebensanschauung sind daher zugleich die Philosophen der Geistesführung und Erzieher der Menschheit.“7 Mitunter erweckt der Staat den Eindruck, als ob er die Werte produzieren, planen und ordnen würde, und versucht sie gegen die Gesellschaft und die Menschen, welche die eigentlichen Produzenten dieser Werte sind, als Zwangsmittel einzusetzen. Wer kann verhindern, dass irgendein Staat Werte wie Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, die teils schon in den Aufklärung als separate Ideen entstanden sind, ausnutzt, um seine eigene Gesellschaft zu manipulieren? Das ist eine Gegebenheit, die in der Sicht auf die Geschichte und die Gesellschaft meist übersehen wird. Dies trifft auch auf jene Philosophen zu, die schon vorher um Werte wie Demokratie, Freiheit und Gerechtigkeit bemüht waren oder die wie z.B. der griechische Sophist Antiphon schon lange vor den Römern für das positive Recht plädierten. In diesem Sinne lag die Freiheit, sowohl als Tugend als auch als Wert, nicht im Schaffensbereich irgendeines Staates. Unabhängig von geistigen Werten kann man bei der Betrachtung des über den Markt erhältlichen Materiellen bemerken, dass Werte immer wieder vom wirtschaftlichen Zusammenleben der Menschen produziert werden. Der Staat hat diese zum Nutzen nur einer bestimmten Gesellschaftsschicht zum Einsatz gebracht. Damit soll betont werden, dass man – im Gegensatz zu den meisten Erwartungen – als Individuum vom Staat nicht denken sollte, dass er die geistigen und materiellen Werte, die aus der Geschichte und der Gesellschaft entwickelt wurden, schützt, verbessert und bewahrt. Wenn Freundschaft, Loyalität, Freiheit, Edelmut bzw. Musik, Literatur, Theater, Familie u a. einzelne Werte sind und wenn diese gegenwärtig immer stärker in den Hintergrund treten, sind dafür in erster Linie Individuen verantwortlich, nicht aber der Staat. Nicht der Staat, sondern ausschließlich Individuen, die Philosophen, haben die Möglichkeit und die Fähigkeit, diese Werte wiederherzustellen. Die Frage nach den Zwecken dieser Werte in der Praxis ist ja auch Thema der Philosophie.

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Die Philosophie, Decken-Tondo von Raffael im Stanza della Segnatura, Palazzi Pontifici, Vatikan. (cc) Wikimedia Commons

Uniformierung der Werte
Oben wurde bereits angedeutet, dass das Leben für Menschen durch Werte Bedeutung gewinnt. Folglich ist die Bedeutung unseres Lebens genauso groß wie unsere Werte. Nach konventionellen Vorstellungen ist ein bedeutungsvolles Leben nur durch möglichst viele Werte möglich, die der Mensch in seiner Vergangenheit gewonnen hat. In der gesellschaftlichen Welt, in die der Mensch geboren ist, trifft er auf viele Werte, die vor ihm und ohne sein Zutun entstanden sind. Aber doch sind wir frei, einige dieser Werte anzunehmen und einige davon abzulehnen. Nicht alle Werte, die uns angeboten werden, können wir gleich annehmen, ebenso wie wir alle nicht auf einmal ablehnen können.

Soziologisch gesehen: Da das Leben der Gesellschaft Leerstellen nicht erträgt, müssen die abgelehnten Werte so schnell wie möglich durch neue ersetzt werden. Weltweit dominierende politische Mächte, die das Werteproblem ausführlich studieren, überlassen freilich die Initiative zur Wertschöpfung nicht den Individuen oder den Philosophen. Die so genannten „think-thanks“ –Gesellschaftsforscher, Sozialwissenschaftler, Psychologen und Forschungsinstitute, die unter dem Einfluss der großen Weltmächte stehen – zwingen den Menschen durch Medien und Informationsnetze ihre eigenen Werte auf. Die Gefahr, Gesellschaften, die von unterschiedlichsten Kultur-, Zivilisations- und Vergangenheitsmerkmalen geprägt sind, im Namen „universeller Werte“ in eine Uniform pressen zu wollen, ist in der heutigen Zeit aktuell.

Lassen wir die synthetischen Werte, die heute in der ganzen Welt vermarktet werden, beiseite, dann kann man sagen, dass sogar Werte wie Freundschaft, Gerechtigkeit, Heldentum und Loyalität, die eine ursprüngliche traditionelle – gemeinsame – Bedeutung haben, dennoch je nach kulturellem und geschichtlichem Hintergrund unterschiedlich interpretiert werden.

Widerspruch der Werte
Anders als uns gerade auch gegenwärtig verschiedene Ansätze glauben machen wollen (vgl. Begriffe wie „Widerspruch“, „Zusammenstoß“ oder „Kampf der Kulturen und Werte“), gibt es keinen Widerspruch von Werten. Da von einem vom Bewusstsein unabhängigen universell-objektiven Wertesystem in der Praxis keine Rede sein kann, sind es nicht die Werte, sondern die Menschen, die in der Praxis zueinander in Widerspruch treten. Der am weitesten verbreitete Grund für zwischenmenschliche Widersprüche ist die Zweckbeziehung von und zwischen Menschen. Das bedeutet auch, dass sich Menschen und deren Organisationen, bzw. Schichten die sie für ihren eigenen Nutzen verwenden, hinter Werten verstecken, dass sie diese als psychologische Kampfmethoden benutzen. Der Mensch, der seine Werte für wertlose Zwecke einsetzt, hat jedoch bald keine Werte mehr, auch wenn er letzten Endes sein sich selbst gesetztes Ziel erreicht. Wenn dabei gemeinsame Werte zerstört werden, sind alle Beteiligten gleichermaßen Verlierer.8

Für den Menschen entsteht Disharmonie und damit Leiden, wenn er seine Werte nicht in sein Leben einbeziehen kann, wenn sich ein Widerspruch zwischen den gesellschaftlich vorhandenen Werten und den seine eigene Lebenspraxis bestimmenden Werten ergibt. Auch deswegen war seit der Sophistik (nämlich nach der naturphilosophischen Phase) der Wert wert, von der Philosophie behandelt zu werden. Hand in Hand mit dem erwachenden spezifisch menschlichen Bewusstsein (Selbstbewusstsein) geht die Wahrnehmung der das Leben konstituierenden Werte. Aber wenn man die Untersuchung der Thematik Werte irgendwann und irgendwo angeht, sich dabei auch auf konkrete Beispiele einlässt, ist es unvermeidlich, die Werte, die entweder aus einer anderen Zeit oder aus anderen geographischen Gebieten und anderen Kulturen stammen, in ihrer Verschiedenheit zu vergleichen.

Es ist schwer, vielleicht sogar abwegig, die Angelegenheit der Werte bloß möglichst abstrakt zu untersuchen und zu analysieren – indem man dabei nicht versucht, aus konkreten Beispielen Nachweise zu finden. Zwar nicht auf dem Gebiet der Epistemologie oder der Metaphysik, aber bei der Untersuchung der Werte auf dem ethischen Gebiet kann es leicht vorkommen, auf diese Schwierigkeiten zu treffen. Deswegen kann man sagen, dass die Annäherung an diese Schwierigkeiten im Wege der Epistemologie ein weniger mühsames Unterfangen ist. Die Interventionen des Menschen in die Welt und in seine eigene materielle Existenz bleiben aber nicht nur auf das materielle Gebiet beschränkt. Jede von unseren auf die materielle Welt gerichteten Tätigkeiten hat eine Korrespondenz in unserer Seele, unserem Verstand und unserem Gedächtnis. Denn jede materielle Tätigkeit hat ohne Ausnahme eine geistige Entgegnung zur Basis. Der Wert ist eine Folgerung und eine Art Annehmen seitens des menschlichen Handelns auf moralischem und ethischem Gebiet als sozusagen Messen und Interpretation. Damit ein Wert, der auf die Materie bezogen wird, als Wert eine Funktion hat, bedarf es einer Korrespondenz, einer Zustimmung. Dann erst ist es möglich, dass der Wert als Wert seine Legitimation verdient, nämlich sobald ihn das soziale und kollektive Bewusstsein genehmigt hat. Doch hindert diese Situation nicht daran, dass jeder aus persönlichem Willen seinen eigenen Wert erzeugt und sein Leben aus sich heraus entsprechend strukturieren will und kann. Aber die Anwendbarkeit einer solchen Adäquation wird wegen Konsequenzen wie Minderheit, Marginalität und Diskriminierung diskutiert.


1 G. W. F. Hegel: Phänomenologie des Geistes. 239-240, § 20. Herausgegeben von Hans-Friedrich Wessels u. Heinrich Clairmont. Hamburg: Meiner 1988, S. 290.
2 Alois Riehl: Zur Einführung in die Philosophie der Gegenwart. Leipzig: Teubner 1903. S. 173.
3 Riehl, a.a.O., S. 253 f.
4 Riehl, a.a.O., S. 257.
5 Riehl, a.a.O., S. 172.
6 Riehl, a.a.O., S. 172.
7 Riehl, a.a.O., S. 177.
8 Vgl. Platon, Parmenides 131 b, c, d, Teilhabe am Segeltuch. Sämtliche Werke, Bd. 1, Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 2002. Bd. 3, S. 100 f.

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Dozent am Institut für Philosophie an der Medeniyet- Universität in Istanbul

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